Einsames Zwiegespräch mit der heiligen Corona im Dom zu Aachen

Heilige Corona!

Seit Kaiser Ottos frommen Tagen ruhen deine heiligen Gebeine hier im Aachener Dom. Eigens bin ich jetzt zu dir nach Aachen gepilgert. Um dich als Patronin anzurufen. Gegen die herrschende Pandemie.

(Heilige Corona:) Was ist eine Pandemie?

Heilige Corona, das ist nichts weiter als eine Seuche. Schon unter Kaiser Otto hast du dich ja als Patronin gegen zweierlei Übel bewährt: gegen Seuchen und gegen Mangel an Geld. Wie viele Priester, Mönche, Nonnen haben hier gekniet und dich um Hilfe gegen Mangel an Geld angerufen. Das rheinische Volk dagegen hat dich eher um Beistand gegen Seuchen angefleht. Liebevoll hat es dich „dat Corönschen“ genannt. Jetzt aber, stelle ich mit Verwunderung fest, bin ich der einzige, der vor dir kniet.

(Heilige Corona:) Wahrscheinlich leiden nicht einmal die Piusbrüder mehr an Mangel an Geld.

Heilige Corona! Das hat für einmal nichts mit Geld zu tun, sondern mit der neuesten Seuche. Dabei heisst sie doch Corona-Pandemie. Warum drängen sich die Beter nicht hier im Aachener Dom vor deinem Gebein? Liegt das vielleicht an den Hygiene-Vorschriften für Gotteshäuser, die Angela Merkel als oberste Gesetzgeberin der Religion erlassen hat: Mindestens zwei Meter Abstand von Beter zu Beter. Und vor allem kein Gesang.

(Heilige Corona:) Wer ist Angela Merkel?

Heilige Corona, das ist so eine, die sich für Kaiser Otto hält.

(Heilige Corona:) Ich bin Reichsbürgerin. Ich anerkenne nur Kaiser Otto selbst.

Heilige Corona! Ich will dir sagen, woran es liegt. Kein deutscher Priester kniet hier und bittet darum, dass Deutschland von der Seuche verschont bleibe.

(Heilige Corona:) Glaubt kein Priester mehr an mich?

Heilige Corona! Priester glauben nicht, sie lesen Messen.

(Heilige Corona:) Jedenfalls taten sie das zu Kaiser Ottos Zeiten.

Heilige Corona! Das tun sie immer noch. Aber leider ist Messelesen nicht mehr, was es einmal war. „Ich will hintreten zum Altare Gottes. Zum Gott, der meine Freude ist von Jugend auf.“ Mit diesem uralten, altbiblisch heiteren Spruch fing jede Messe zu Kaiser Ottos Zeit an. Jedesmal so. Jedesmal gleich. Diese immerzu gleiche Einleitung ist jetzt aber veraltet und wurde deshalb abgeschafft. Dafür hat der Priester die neue Aufgabe, jede Messe schöpferisch zu gestalten. Als „Eucharistiefeier“. Und pastoral einfühlsam zuzugehen auf die mündigen Laien, die nicht mehr vor ihm knien, sondern vor ihm stehen und ihr „Recht auf Eucharistie“ gebieterisch einfordern.

(Heilige Corona:) Das muss ja furchtbar sein.

Heilige Corona! Wie furchtbar es ist, zeigt ein Blick in die Statistik: Der ganz normale Priester liest in seinem Priesterleben etwa 20.000 Messen. Und es werden immer mehr Messen. Weil es immer weniger Priester werden. Die Mehrheit ist schon über sechzig, über siebzig. Und da rennt so ein hochbetagter Priester von einer Kirche, von einem Altar zum andern, jedesmal neu bemüht, schöpferisch und einfühlsam auf mündige Laien zuzugehen. 20.000 mal schöpferisch in einem einzigen Priesterleben!

(Sancta Corona:) insanum est. absurdum est. eheu!

In der Tat eheu, heilige Corona! Eheu, es ist erschöpfend! Eheu, es macht krank! Vielleicht verstehst du jetzt, warum der Klerus nicht nur in Deutschland, sondern auch in Italien und in Frankreich sich überhaupt nicht gewehrt hat gegen das staatliche Verbot von Messen während der Corona-Seuche. Dabei gibt doch das Kirchenrecht keinem Staat, erst recht keiner Angela Merkel die Befugnis, Gottesdienste zu regeln, sie gar zu verbieten.Trotzdem hat die Priesterschaft überall die Messen schleunigst storniert, die Altäre abgeräumt, die Kirchtüren fest verriegelt. In ungewohnt servilem, geradezu vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem Staat.

(Heilige Corona:) So gehorsam war die Priesterschaft nicht, wenn Kaiser Otto etwas befahl.

Heilige Corona! Es ist ganz einfach: Einmal ein paar Wochen lang keine Messen mehr lesen zu dürfen, für den heutigen erschöpften, zermürbten, überalterten Klerus ist das kein Martyrium. Es ist Erlösung. Eine solche längere Auszeit haben alle seit Jahren heimlich herbeigesehnt.

(Heilige Corona:) Vielleicht sogar herbeigebetet. Wer weiss, vielleicht kommt nächstens die grosse Dankeswallfahrt zu meinem Schrein hier im Aachener Dom. Mit Kardinal Woelki vorneweg.

Corönschen klein,

Das muss nicht sein!

Vor deinem holden Schrein

Knie ich lieber ganz allein!