Liebeserklärung an das Domradio

Was ich die ganze Zeit schon fragen wollte: Hört ihr auch so gern  das Domradio? Mir fällt auf, dass da immer mehr von Wallfahrten berichtet wird. Sogar ein neuer Typ von katholischen Journalist*innen meldet sich im Domradio fleissig zu Wort: die „Wallfahrts-Expert*innen“. Nichts gegen Wallfahrts-Expert*innen.

Aber warum wallfahrten Kardinal Woelkis Wallfahrts-Expert*innen alle immerzu nach Santiago de Compostela,  nur nicht dorthin in Spanien, wo ich meine stärksten Wallfahrts-Erlebnisse hatte, warum nicht zur grössten und stärksten aller katholischen Frauen, warum nur nicht zur Grossen Theresia nach Avila?

Ein so freches Weibsbild war die heilige Theresia von Avila, dass sie manchmal nicht nur den Respekt vor dem König von Spanien verlor, sondern sogar den Respekt vor Gott selber. Eines Abends, auf ihrem Betschemel, machte sie Gott die schlimmsten Vorwürfe, weil er es zugelassen habe, dass ihr Freund Juan de la Cruz, der heilige Johannes vom Kreuz, im Kirchengefängnis von Toledo grausam misshandelt worden war. Als er wieder aus dem Gefängnis herauskam, „sah er abgezehrt und entstellt aus wie ein Toter“. Als Antwort auf ihre Vorwürfe wurde Theresia in eine Vision entrückt. Gott Vater erschien ihr und zeigte ihr seinen Sohn, wie er am Kreuz hing. „Schau her, Theresia, so behandle ich meine Freunde!“ Da wurde Theresia von Avila sarkastisch: „Mein Gott, wenn du deine Freunde so behandelst, dann brauchst du dich nicht zu wundern, dass du so wenig Freunde hast!“

Aus Salamanca war er, der Freund ihrer Seele. Lass dir den spanischen Namen im deutschen Ohr verklingen. Salamanca klingt schon fast nach Indien. Aus Salamanca ist Johannes vom Kreuz zu ihr nach Avila gekommen.

Siebenundzwanzig Jahre jünger war er als Theresia. Grosse schwarze Augen hatte er und eine poetische Seele. Mit Ironie war er nicht so begabt wie Theresia von Avila. Aber die Abwesenheit Gottes hat er noch stärker erlebt als Theresia. Und er hat daraus die stärkste christliche Mystik entwickelt: „la noche oscura“ – „die dunkle Nacht des heiligen Johannes vom Kreuz“.

Mit Johannes vom Kreuz, liebe Wallfahrts-Expert*innen vom Domradio, lasst jetzt die gewaltigen Mauern von Avila hinter euch und pilgert hinab zum Kloster San José. Ein Fenster gibt den Blick frei ins Innere des Klosters. Und dort auf die Treppe, auf der jene mystische Begegnung stattgefunden hat, die mir besser gefällt als alle dunklen Nächte des Juan de la Cruz.

Gedankenverloren kam die heilige Theresia diese Stufen  hinaufgestiegen. Unvermutet kam ihr ein kleiner Bub auf der  Treppe lustig entgegengepurzelt. Blieb vor ihr stehen und fragte neugierig: „Wer bist du?“

„Ich bin“, antwortete Theresia wahrheitsgemäss, „Teresa de Jesús“. Lachend erwiderte der Kleine: „Und ich bin Jesús de Teresa.“

Jetzt eine Frage an Kardinal Wölkis Wallfahrts-Expert*innen: Könnt ihr mir beim Übersetzen helfen? Einmal hat Theresia von Avila gesagt: „Es ist unmöglich, mit Johannes vom Kreuz über Gott zu reden, ohne dass er sofort in Ekstase fällt und man mit ihm.“ So wird das gewöhnlich übersetzt. Mich stört aber das „man“. Einmal habe ich selber übersetzt mit „und ich mit ihm“. Das war wohl die Grenzüberschreitung eines alten weissen Mannes.

Ihr aber, liebe Wallfahrts-Expert*innen des Domradio, ihr wisst besser als ich, dass Simone de Beauvoir die heilige Theresia verehrt hat als die grosse Wegbereiterin der Frauenbewegung. Drum werdet ihr´s besser machen als ich. Feministisch werdet ihr fürs Domradio übersetzen:

„Es ist unmöglich, mit Juan de la Cruz über Gott zu sprechen, ohne dass er sofort in Ekstase fällt und frau mit ihm.“